Mit neuer Blickrichtung zum Erfolg
Zuerst wollte Birgit Brink sich eigentlich beschweren. Über fehlende Barrierefreiheit, über die Hindernisse, die sich ihr als Rollstuhlfahrerin in den Weg stellen und über die Beschränkungen, mit denen sie täglich Leben muss. Doch dann entwickelte sich ihr Blog in eine ganz andere Richtung und sie lernte ihre Blickrichtung zu ändern. Was dabei entstanden ist und wie Birgit Brink den Status quo der Barrierefreiheit einschätzt, hat sie uns in einem Interview erzählt.
Birgit, wie bist du auf die Idee gekommen einen Blog zu starten?
Auf die Idee, einen Blog zu starten, kam ich 2007. Die Einschränkungen durch meine progrediente MS zwangen mich immer öfter dazu, einen Rollstuhl zu nutzen. Genervt stellte ich fest, wie wenig barrierefrei Hamburg ist. Ich fühlte mich (und fühle mich auch heute noch) oft ausgeschlossen wegen unterschiedlicher Barrieren, die ich nicht so einfach überwinden kann. Allein wollte ich mit diesem Gefühl nicht bleiben und startete https://blog.behindernisse.de.
Vorher überlegte ich zusammen mit meinem Mann einen Namen. Dabei kam der Name „behindernisse“ heraus. Eine Wortschöpfung, die Hindernisse und Behinderung mixt.
Welche Themen behandelst du auf deinem Blog?
Anfangs hatte ich die Idee, mit dem Wissen vieler RollstuhlfahrerInnen Beispiele zu sammeln. Sie sollten von Unternehmungen berichten, die für sie wegen fehlender Barrierefreiheit nicht mehr möglich sind. Damit wollte ich die Öffentlichkeit auf fehlende Barrierefreiheit aufmerksam machen und hoffte, auch Fußgänger zu sensibilisieren und etwas ändern zu können. Diese Idee hat aber nicht geklappt. Es beteiligten sich wenige an meinem Blog.
Eine nahe Verwandte gab mir den Tipp, meine Blickrichtung zu ändern und nicht immer auf das zu schauen, was für RollstuhlfahrerInnen nicht funktioniert, sondern auf das, was funktioniert. Ich fand den Tipp klasse und sammle heute eher gute Lösungen, die für mich als Rollstuhlfahrerin funktionieren bzw. funktionieren würden.
Ergebnis ist nun eine Beitragssammlung, die eher aussieht wie ein buntes Sammelsurium. Jedoch überlege ich mir bei jedem Beitrag, egal, ob von mir selbst oder von einem Gast, ob er passen würde.
Wo hast du bisher die besten Rollstuhlbedingungen vorgefunden?
Ich habe noch nicht das absolut barrierefreie Ziel gefunden und bin nicht sicher, ob mir das gefallen würde. Denke ich an unsere (mein Mann und ich) letzten Urlaube, war die Reise in den Peak District in Großbritannien barrierefreier als die Reise in die Bretagne (Frankreich). Reisen innerhalb Deutschlands sind meistens noch weniger barrierefrei.
Die Reisevorbereitungen laufen bei allen Reisen ähnlich ab:
- Barrierefreie Ferienwohnung suchen (mit stufenlosem Zugang, bodengleicher Dusche mit Haltegriffen und Duschsitz, Toilette mit Haltegriffen)
- Wie weit sind zugängliche Einkaufsmöglichkeiten entfernt?
- Gibt es zugängliche Restaurants in der Umgebung?
- Welche zugänglichen Ausflugsziele gibt es in der Umgebung, hätten wir Lust, sie zu erkunden?
- Gibt es auch öffentliche RollstuhlWCs in der Umgebung?
Um die Punkte 1, 2 und 3 zu lösen, checke ich die Angebote und Informationen von regionalen Tourismusbüros. Finde ich dort Ferienwohnungen die passen könnten, schreibe ich den Vermieter direkt an und frage nach Details.
Um Antworten auf 4 und 5 zu bekommen, checke ich zunächst www.wheelmap.org. Auf dieser Webseite kann jeder Nutzer weltweit und kostenlos die Rollstuhlgerechtigkeit von Orten finden oder markieren. Für die Bretagne habe ich dort leider nichts gefunden und deshalb bei einer französischen Handicap-Seite auf Twitter nachgefragt. Auch diese Anfrage war nicht erfolgreich. Im Peak District machen anscheinend auch viele ältere Menschen Urlaub. Das Angebot war sehr viel besser.
Die Planung der Fahrt in die Bretagne (1500 km) übernahm mein Mann. Wir teilten die Reise in 3 Etappen mit 2 Zwischenübernachtungen in günstigen Hotels, die rollstuhlgerechte Zimmer anbieten, auf.
Mein Fazit ist, dass die Reisevorbereitungen für die Bretagne sehr zeitintensiv waren. Bei den Vorbereitungen für die Reise in den Peak District sind wir ähnlich vorgegangen. Wir fuhren am ersten Tag bis Rotterdam, übernachteten auf einer Fähre von Rotterdam nach Kingston-upon-Hull und fuhren anschließend in den Peak District. Die Informationen im Netz für Großbritannien sind besser als für die Bretagne, von daher waren die Vorbereitungen weniger zeitintensiv.
Positive Überraschungen gab es in beiden Ländern. Sowohl in Frankreich als auch in Großbritannien ist bei den öffentlichen WCs fast immer ein Rolli WC dabei. Die entsprechen zwar nicht unserer deutschen Norm, sind aber für mich erreichbar.
Toll finde ich die Rollstuhlparkplätze in Großbritannien. Rechts und links neben einem Rolliparkplatz sind ca. 80 cm breite, gelb markierte Flächen, die freigehalten werden müssen. So bleibt genug Platz zum Ein- und Aussteigen.
Spaß gemacht haben in Großbritannien auch die Wanderungen. Einige aufgegebene Bahnstrecken sind heute zu barrierefreien Wanderwegen umgebaut.
Und wo hast du die schlechtesten Bedingungen vorgefunden?
In Deutschland sind die Bedingungen sehr viel schlechter. Es ist schwierig, eine für mich geeignete Ferienwohnung zu finden, da es keinen einheitlichen Definitionen von „Barrierefreiheit“ gibt.
Manche Vermieter beschreiben eine Wohnung schon als barrierefrei, wenn man stufenlos hereinkommt. Auch die Suche nach Ausflugszielen, Restaurants und öffentlichen Rollstuhltoiletten ist oft wenig erfolgreich. Ich fühle mich oft ausgeschlossen und gestresst, weil Barrieren den Weg versperren, die oft leicht abzubauen wären.
Gut ist es für mich dort, wo ich verlässliche und aktuelle Informationen über barrierefreie Unterkünfte (mindestens 80cm breiten Türen, stufenloser Zugang, Toilette mit Haltegriffen, bodengleicher Dusche mit Duschsitz und Haltegriffen), barrierefreie Ausflugsziele in der Umgebung und stufenlos erreichbare Restaurants bekommt. Hilfreich ist auch eine Karte, in der Rolli WCs in der Umgebung angezeigt werden.
Sind keine geeigneten Informationen auffindbar, würde ich die Region gar nicht besuchen wollen. Das ist sehr schade, weil ich Vieles in Deutschland kennenlernen möchte.
Du bist studierte Stadtplanerin. Inwiefern beeinflusst deine eingeschränkte Mobilität deine Arbeit?
Ich bin Stadtplanerin, habe als solche mit der Diagnose MS jedoch keine Anstellung mehr gefunden. Nach meinem dritten erfolgreichen Studienabschluss hatte ich verschiedene Jobs in anderen Bereichen, die leider immer zeitlich befristet waren.
Alle Arbeitsplätze waren stufenlos erreichbar und vor der Tür gab es Rollstuhlparkplätze, Rolli WCs waren vorhanden.
Inzwischen bin ich gelegentlich im Home Office journalistisch tätig.
Was wünscht du dir für deine persönliche Zukunft?
Ich wünsche mir, dass die MS nicht weiter fortschreitet, sondern etwas zurückgeht. Außerdem wünsche ich mir, dass meine Fitness ausreicht, um neue Ziele zu erkunden. Das würde mir helfen, neugierig zu bleiben.
Hier geht es zum Blog von Birgit Brink: https://blog.behindernisse.de